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Predictive Maintenance im Kontext von Industrie 4.0

Boris Shiklo

Boris Shiklo

Boris Shiklo, CTO bei ScienceSoft, ist verantwortlich für eine langfristige technologische Vision und die Entwicklung von Innovationsstrategien im Unternehmen. Unter seiner Leitung hat das Entwicklungsteam des Unternehmens erfolgreich komplexe Projekte mit über 80.000 Personenstunden in den Branchen wie Gesundheitswesen, Banken & Finanzen, Einzelhandel, Telekommunikation, öffentlicher Sektor und anderen Bereichen abgeschlossen. Boris Shiklo hat solide Hintergrundkenntnisse in IT-Beratung, Softwareentwicklung, Projektmanagement und strategischer Planung.

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6 Min. Lesezeit

Wir leben in den Zeiten, in denen die 4. industrielle Revolution - Industrie 4.0 - ihren Einzug in die Produktion hält. Als Konzept der umfassenden Digitalisierung muss die Industrie 4.0 zur weiteren Automatisierung der Produktion führen.

Als Fundament für die Industrie 4.0 kann das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) genannt werden. Und in der Produktion setzt die Industrie 4.0 dabei konkret auf die IIoT-Technologien. Mit den Begriffen wie IIoT und Industrie 4.0 ist Predictive Maintenance ungetrennt verknüpft. Laut der von Roland Berger durchgeführten Studie gilt Predictive Maintenance sogar als „eine der Schlüsselinnovationen der Industrie 4.0“. Deshalb schenken wir diesem Thema eine besondere Aufmerksamkeit.

In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, welche Rolle Predictive Maintenance auf dem Weg zur digitalen Transformation im Zeitalter der Industrie 4.0 spielt und wie sie in verschiedenen Branchen in der Praxis umgesetzt wird.

Predictive Maintenance und Industrie 4.0

Von vorbeugender zu vorausschauender Instandhaltung

Seit Jahren praktizieren Hersteller in verschiedenen Branchen einen zeitbasierten Ansatz für die Wartung Ihrer Anlagen – die vorbeugende Instandhaltung (Preventive Maintenance). Das bedeutet, dass die Wartungsarbeiten in festgelegten Zeitabständen stattfinden müssen. Wie häufig die Wartungsaktivitäten durchgeführt werden, wird in den anlagespezifischen Dokumenten vordefiniert. Das Alter der Anlagen und im Vorfeld vordefinierte Zeitinterwalle gelten dabei als Hauptfaktoren bei der Planung der vorbeugenden Wartungsroutine. Je älter die Anlage ist, desto häufiger müssen Wartungsarbeiten durchgeführt werden.

Aber eine Studie von ARC Advisory Group zeigt, dass mehr als 80% der Ausfälle zufällig auftreten und keine altersbedingten Ursachen haben. Des Weiteren kann die vorbeugende Wartung entweder zu spät oder zu früh sattfinden. Das ist ein Beweis dafür, dass die zeitbasierte Wartung nicht kosteneffizient ist – eine Anlage wird unabhängig vom tatsächlichen Zustand gewartet. Daraus ergibt sich ein großer Nachteil der Wartung nach Plan – die Lebensdauer von Ersatzteilen der Anlagen wird nicht völlig ausgeschöpft.

Bei der vorausschauenden Instandhaltung (Predictive Maintenance) gilt der tatsächliche Zustand von Anlagen als Hauptfaktor. Dieser Ansatz wird verwendet, um Ausfallzeiten zu verhindern, bevor sie entstehen. Das trägt dazu bei, ineffiziente Wartungsroutinen und damit verbundene Kosten zu vermeiden sowie auch den gesamten Fertigungsprozess zu optimieren.

Predictive Maintenance

Was ist das?

Bei der vorausschauenden Wartung handelt es sich vor allem darum, eventuelle Maschinenausfälle vorherzusagen und den optimalen Zeitpunkt für die entsprechenden Wartungsarbeiten zu errechnen, um eine höhere Maschinenverfügbarkeit im laufenden Betrieb zu erreichen. Dadurch können die Reparatur- und Wartungsarbeiten nur dann durchgeführt werden, wenn ein Bedarf entsteht. Dabei stützen sich die Vorhersagen für drohende Stillstände auf Datenanalysen und ausgefeilte Algorithmen.

Welche Vorteile hat die vorausschauende Instandhaltung?

Dank derartigen Wartung eröffnen sich neue Möglichkeiten, den Produktionsprozess zu steuern und Stillstände zu vermeiden, Diagnosen einfacher und schneller zu erstellen und das Potenzial von Anlagen (Anlagenausnutzung) bestmöglich auszuschöpfen. Im Maschinenbau, einer der führenden Branchen in der deutschen Industrie, sorgt die vorausschauende Wartung für eine erhöhte Betriebssicherheit, was ein deutlicher Vorteil für seine Kunden darstellt.

Wie funktioniert es?

Auf jeden Fall ist für die IoT-basierte vorausschauende Wartung eine durchdachte Architektur ein Muss. Um Ausfallwahrscheinlichkeiten zu ermitteln und verlässliche Vorhersagen zu generieren, wird der Zustand jeder einzelnen Anlage kontinuierlich oder periodisch überwacht.

Zu diesem Zweck werden die Anlagen mit Sensoren ausgestattet, die unterschiedliche Parameter, beispielweise Vibrationen und Temperatur, in Echtzeit erfassen. Die von Sensoren erfassten Daten werden gefiltert, vorvorbereitet und in der Cloud gespeichert. Dabei geht es um enorme Datenmengen, für deren Verarbeitung Data-Science-Technologien eingesetzt werden, und vor allem Maschinelles Lernen.

ML-Algorithmen sind in der Lage, in großen Datenmengen oder sogar -bergen die Verhaltensmuster von Anlagen, die letztlich zum Ausfall führen, aufzudecken. Die aufgedeckten Muster werden in den Vorhersagemodellen widergespiegelt. Die Modelle werden basierend auf den relevanten neuen Eingangsdaten trainiert, mithilfe von Testdaten getestet und genehmigt. Nur mit den genehmigten Modellen werden dann Vorhersagen generiert und Handlungsempfehlungen gegeben. Dabei werden diese Modelle auch weiter verbessert und optimiert.

Predictive Maintenance nach Branchen in Aktion

Heute wird immer mehr auf die vorausschauende Instandhaltung und Wartung gesetzt. Sie wird schon in vielen Bereichen eingesetzt. Der Studie zufolge haben 49% der Unternehmen in ganz Europa vor, in den nächsten zwei Jahren erneut in die vorausschauende Instandhaltung und Wartung zu investieren. Darüber hinaus planen 34% der befragten Unternehmen zum ersten Mal in die Projekte solcher Art zu investieren. Insgesamt verbinden 83% der Unternehmen ihre bestehenden und zukünftigen Geschäftsabläufe mit Predictive Maintenance.

Laut der Studie setzen 232 befragte europäische Produktions- und Transportunternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern die vorausschauende Instandhaltung prozentual wie folgt ein:

Prozentual PM je nach Branche in Europa

Im Folgenden listen wir mögliche Anwendungen für die vorausschauende Instandhaltung und Wartung auf und stellen Beispiele von Herstellern vor, die bereits Predictive Maintenance nicht nur auf der Produktionsebene, sondern auch auf der Ebene von intelligenten, vernetzten Produkten implementiert haben, um die Zufriedenheit von Endkunden zu erhöhen.

Automobilbranche & Diskrete Fertigung

Es lohnt sich, die vorausschauende Instandhaltung durchzuführen, wo teure und komplexe Anlagen rund um die Uhr im Einsatz sind und unvorhergesehene Ausfälle zu großen Kosten führen. Deshalb ist es kein Wunder, dass die vorausschauende Wartung in verschiedenen Branchen der diskreten Fertigung, einschließlich der Automobilbranche, einen großen Anklang finden, weil Maschinenausfälle und Stillstandzeiten Milliarden Euro kosten können.

Der Automobilkonzern Daimler AG z. B. produziert 10 000 Zylinderköpfe jeden Tag. Er entschloss sich, IBM Predictive Maintenance in der Zylinderkopfproduktion einzusetzen. Das System wertet automatisch täglich über Nacht die Prozessentwicklung aus und speichert alle Analysen ab. Die Vorteile für Daimler sind klar: früher erforderten Erkenntnisse einen großen Aufwand an Zeit - heute braucht man nur wenige Stunden, um diese Erkenntnisse zu gewinnen. Mit diesem Verfahren ist es gelungen, die Produktivität um 25 Prozent zu steigern und die Hochlaufhasen der Produktionsprozesse zu halbieren. 

Außerdem fokussiert sich die Daimler AG auch darauf, dass seine Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen zuverlässig arbeiten und die Kunden dadurch zufrieden bleiben. Deshalb werden diese Attribute auf ein höheres Niveau gebracht. Zum Beispiel sorgt das innovative Serviceprodukt Mercedes-Benz Uptime für eine Verbindung zwischen Lkw, Kunden und Mercedes-Benz Service. Während des Einsatzes eines Autos wird der Zustand von allen Systemen in Echtzeit kontinuierlich überprüft. Der vernetzte Lkw meldet automatisch Reparatur- und Wartungsbedarfe und gibt eine Handlungsempfehlung in Echtzeit. Das trägt dazu bei, Pannen sowie teure Ausfallzeiten zu vermeiden und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.

Prozessfertigung 

Die Digitalisierung in der gesamten Prozessfertigung im Rahmen Industrie 4.0 wird große Veränderungen bringen. In bestimmten Industrien, wie z. B. Chemie- und Pharmaindustrie, spielt die vorausschauende Wartung schon heute eine an Wichtigkeit stets zunehmende Rolle.

In der Chemie- und Pharmaindustrie müssen die Fehler im Endprodukt sehr genau vorhergesagt werden. Im Rahmen des Konzeptes Chemie 4.0 werden einzelne Maschinen und Anlagen in der Chemie und Pharmaindustrie vernetzt, um die vorausschauende Wartung einsetzen zu können und dadurch Produktionsausfälle zu vermeiden sowie die Wartungskosten und Zeit für Wartungsaktivitäten zu senken. Obwohl dieses Thema - die Digitalisierung der Produktionsprozesse - bei weitem nicht neu ist, haben viele Firmen zusätzliche Möglichkeiten entdeckt. Es geht laut VCI vor allem darum, „die riesige Menge an Daten aus der bereits vernetzten Chemie nicht nur für die Effizienzsteigerung in der Produktion, z. B. durch vorausschauende Wartung mittels Sensoren, sondern auch für Simulationen in der Forschung zu nutzen“.

Transport

Die deutsche Bahn hat Siemens als innovativsten Lieferanten ausgezeichnet, an den sie Milliardenaufträge für neue Züge vergibt. Als Spezialist für Industrieautomatisierung treibt Siemens mit Künstlicher Intelligenz die Industrie voran, sei es autonome Optimierung von Gasturbinen, bessere Überwachung intelligenter Stromnetze oder vorausschauende Wartung von Industrieanlagen. Mit der Deutschen Bahn läuft ein Pilotprojekt zur vorausschauenden Wartung und Instandhaltung von Hochgeschwindigkeitszügen. Durch die digitalisierte Datenanalyse werden Fehler und Störungen frühzeitig erkannt und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet. Das ermöglicht die Ausfallzeiten zu vermeiden und die Verfügbarkeit der Zugflotte zu erhöhen. Das Pilotprojekt wurde erfolgreich durchgeführt. Heute macht die Deutsche Bahn weitere Fortschritte auf dem Weg der Digitalisierung.

Fazit

Als eines der wichtigsten Anwendungsfelder für das Internet der Dinge, gilt die vorausschauende Wartung als Schlüsselinnovationen der Industrie 4.0. Ein ganz einfacher Vergleich von einem zeit- und zustandsbasierten Ansatz, Anlagen und Maschinen zu warten, lässt sich eine Schlussfolgerung ziehen: wenn es um komplexe Anlagen geht, lohnt es sich in die vorausschauende Instandhaltung zu investieren, weil Maschinenausfälle vielmehr teurer kosten werden. Auf der Basis einer durchdachten Architektur und unter Einsatz von ML- Algorithmen zielt die vorausschauende Wartung darauf ab, Ausfallwahrscheinlichkeiten zu ermitteln und verlässliche Vorhersagen zu generieren, um Maschinenausfälle zu vermeiden und Wartungskosten zu reduzieren. Im Zeitalter der Industrie 4.0 wagen immer mehr Unternehmen aus verschiedenen Branchen die vorausschauende Instandhaltung einzusetzen und als Folge zu gewinnen. 

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