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Evolutionärer Ansatz zur IoT-Architektur für intelligente, vernetzte Produkte

Boris Shiklo

Boris Shiklo

Boris Shiklo, CTO bei ScienceSoft, ist verantwortlich für eine langfristige technologische Vision und die Entwicklung von Innovationsstrategien im Unternehmen. Unter seiner Leitung hat das Entwicklungsteam des Unternehmens erfolgreich komplexe Projekte mit über 80.000 Personenstunden in den Branchen wie Gesundheitswesen, Banken & Finanzen, Einzelhandel, Telekommunikation, öffentlicher Sektor und anderen Bereichen abgeschlossen. Boris Shiklo hat solide Hintergrundkenntnisse in IT-Beratung, Softwareentwicklung, Projektmanagement und strategischer Planung.

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Während das Internet der Dinge in Schwung kommt, denken immer mehr Unternehmen daran, ihre Aktivitäten mit intelligenten, vernetzten Produkten zu verbessern. Die Einführung solcher Produkte kann mehrere Vorteile bringen. Für Kunden wird dadurch eine breite Palette von Verbesserungen angeboten: von der erweiterten Überwachung der Leistung und der externen Umgebung des Produktes (basierend auf den von Sensoren gesammelten Daten) bis hin zur Automatisierung bestimmter Produktionsstufen (oder sogar des gesamten Produktionszyklus) durch intelligente, vernetzte Anlagen. Gleichzeitig werden für Anbieter intelligenter, vernetzter Produkte neue Einnahmequellen eröffnet, wodurch sie Wettbewerbsvorteile gewinnen.

Die realen Vorteile können jedoch nur auf Basis eines richtigen Ansatzes zur IoT-Entwicklung und -Implementierung erzielt werden. In dieser Hinsicht sollte sich jedes Unternehmen, das intelligente, vernetzte Produkte implementieren möchte, auf einen entscheidenden Punkt konzentrieren – IoT-Architektur. In unserem neuen Beitrag geben wir Ihnen gerne Einblicke, wie eine solide Grundlage für den effektiven Betrieb von intelligenten, vernetzten Produkten zu bilden ist.

industrielles IoT

Stufenmodell für intelligente, vernetzte Produkte

Intelligente, vernetzte Produkte unterscheiden sich abhängig vom Funktionsumfang. Im Kontext von IoT erarbeiteten E. Porter und James E. Heppelmann ein Stufenmodell zur Einordnung der erweiterten Funktionen von intelligenten, vernetzten Produkten. Das Stufenmodell besteht aus vier aufeinander aufbauenden Stufen mit steigenden Fähigkeiten von Produkten: Überwachung, Steuerung, Optimierung und Automatisierung. Eine IoT-Architektur sollte auf solche Weise entworfen werden, um diese Stufen unterstützen zu können.

Ein Unternehmen kann ein intelligentes, vernetztes Produkt mit der ersten Funktion (Überwachung) implementieren. Dabei kann es bestimmte Architekturkomponenten weglassen, maschinelles Lernen zum Beispiel. Dadurch werden die Kosten für die Entwicklung und Implementierung von intelligenten Produkten gesenkt. Aber in Zukunft ist es möglich, implementierte vernetzte Produkte mit anderen Funktionen zu erweitern (falls ausreichend Daten erfasst wurden). Die Überwachung ermöglicht den Unternehmen, die Systemleistung zu analysieren und die fehlende Funktionalität zu identifizieren oder auch zu sehen, wie ein Produkt verwendet wird, usw. Und gleichzeitig erweist sich die erste Funktion als Fundament für die nächste Stufe.

In dieser Hinsicht ist es wichtig, die IoT-Architektur ursprünglich flexibel genug zu machen. Das ermöglicht den Unternehmen, von einer niedrigeren Stufe zur nächsten beim Hinzufügen von Modulen zu übergehen, ohne dass die gesamte Lösung neu konzipiert werden muss. Diesen Ansatz, bei dem die Einführung von neuen Komponenten in mehreren aufeinander aufbauenden Stufen erfolgt, kann man als „evolutionär“ bezeichnen.

Stufenmodell für vernetzte Produkte

Überwachung

Auf der ersten Stufe - Überwachung – ist es möglich, die Betriebsbedingungen von vernetzten Produkten umfassend zu untersuchen, Abweichungen von den Normen zu erkennen. Darauf basierend werden Benachrichtigungen und Warnmeldungen von überwachten intelligenten Produkten gesandt. Die Sensoren eines intelligenten, vernetzten Produkts können zum Beispiel den Zustand der Ausrüstung überwachen und melden, Produktionsabläufe zu beobachten und Maßnahmen zu ergreifen, um den Einfluss der externen Umgebung zu vermeiden. Die Überwachung gibt jedem Teilnehmer (einem Anbieter, einem Kunden und einer Drittanbieter-Serviceorganisation, falls sie vorhanden ist), der mit intelligenten, vernetzten Produkten zu tun hat, bessere Einblicke darüber, wie ein intelligentes, vernetztes Produkt verwendet wird, und darauf hinweist, welche Funktion zu einem Produkt hinzugefügt werden soll. Jeder Teilnehmer sollte die entsprechende Zugriffsebene auf die Überwachungsdaten haben. Die Teilnehmer sollten solch eine Ebene in einer Service-Level-Vereinbarung vordefinieren. Die Überwachung kann auch dazu verwendet werden, Prototypen zu testen und Sicherheitslücken in Anlagen und Fahrzeugen aufzudecken, bevor sie von Benutzern veröffentlicht werden.

Steuerung

Intelligente, vernetzte Produkte können per Fernsteuerbefehle (von einem Produktbenutzer oder einem Produktanbieter) oder über Algorithmen gesteuert werden. Diese Algorithmen sind entweder in der Software direkt auf einem intelligenten, vernetzten Produkt oder in der Cloud des Anbieters integriert.

Auch bei der automatischen Steuerung sind beide Optionen erforderlich - die Steuerungsanwendungen können bei der Ausführung von Operationen ausfallen oder diese nicht so, wie es erwartet war, ausführen. Der Wechsel zur manuellen Steuerung rettet in solchen Notfällen intelligente vernetzte Produkte des Benutzers.

Außerdem muss ein intelligentes, vernetztes Produkt möglicherweise in die lokalen Systeme von Kunden (z. B. SCADA, MES) integriert werden, um seine Funktionen als Teil der Produktionsprozesse erfolgreich auszuführen.

Ein weiteres kritisches Problem besteht darin, dass die Steuerung von intelligenten, vernetzten Produkten zwischen einem Anbieter und einem Kunden (und manchmal einer Drittanbieter-Serviceorganisation) aufgeteilt wird. Und die Besonderheiten der Steuerung von solchen Produkten sollten dabei in einer Service-Level-Vereinbarung vordefiniert werden.

Optimierung

Die Kombination von Überwachung und Steuerung bietet neue Möglichkeiten zur Optimierung von Produktionsprozessen. Big Data (Echtzeit- oder historische Daten) von Sensoren kann analysiert werden, um Diskrepanzen zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Leistung zu erkennen und ineffiziente Prozesse aufzudecken.

Die Echtzeit-Überwachung und Produktkontrolle eröffnen die Möglichkeit, vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) und Reparaturen aus der Ferne durchzuführen. Das reduziert im Allgemeinen die Ausfallzeiten und die Wartungskosten, was den Betrieb und die Verwendung von intelligenten, vernetzten Produkten optimiert.

Automatisierung

Die Kombination von drei oben beschriebenen Funktionen ermöglicht es, dass intelligente vernetzte Dinge mit minimaler oder überhaupt ohne menschliche Beteiligung funktionieren. Es ist jedoch keine echte Autonomie - diese Produkte müssen mit anderen Produkten und Systemen eines Kunden abgestimmt werden. Dennoch ist das ein ernsthafter Schritt zu einem Szenario, in dem sogar die ganze Fabrik komplett automatisch arbeiten kann: Selbstdiagnose und Wartung durchführen, von der Umgebung lernen und sich an die Präferenzen der Benutzer anpassen.

Elemente einer IoT-Architektur für intelligente, vernetzte Produkte

Weiter unten führen wir ein Beispiel für eine skalierbare IoT-Architektur an. Diese Architektur ermöglicht das Hinzufügen von erweiterten Funktionen und darauf basierend den Übergang zu der nächsten erwünschten Stufe.   

Architektur für intelligent, vernetzte Produkte

Daten erfassen

Ein großer Vorteil von intelligenten, vernetzten Produkten (als IVP im Schema bezeichnet) kommt von Big Data, das von Sensoren generiert wird. Die Sensoren sind entweder physisch an intelligenten Dingen befestigt oder befinden sie sich in der Nähe, um die Umgebung intelligenter, vernetzter Produkte, verarbeiteter Werkstoffe usw. zu überwachen. Sie verwenden vordefinierte Rollen bei der Datenerfassung. Beispielsweise können Sensoren in der Pharmaindustrie dazu beitragen, die Qualität von Rohstoffen und Medikamenten in verschiedenen Produktionsstufen zu überwachen (Parameter von Stoffen wie Temperatur, Dichte usw. zu messen). Außerdem können Sensoren die Daten über den aktuellen Zustand von Geräten und Anlagen, die Drehzahl von Mechanismen und so weiter erhalten.

Daten filtern und speichern

Da Sensoren regelmäßig riesige Datenmengen generieren, ist es sinnvoll, die Daten zu filtern, um nützliche Einsichten aus dem gesamten Datenstrom gewinnen zu können - und ein Gateway kann dabei helfen.

Gefilterte Daten werden dann über ein Cloud-Gateway in die Cloud übertragen. Das Gateway überträgt auch die Befehle von den Steuerungsanwendungen an die Aktoren. Ein Streaming-Daten-Prozessor verteilt eingehende Daten zwischen anderen Komponenten der Lösungsarchitektur.

Die Daten werden in einem Big Data Warehouse aggregiert. Es ist sinnvoll, der Lösung einen Data Lake (deutsch „Datensee“) hinzuzufügen, um alle Daten, die ein Unternehmen in Zukunft verwenden möchte, zu sammeln und somit potenziell wertvolle Daten von den tatsächlich nützlichen zu trennen.

Intelligente, vernetzte Anlagen steuern

Intelligente, vernetzte Produkte können ferngesteuert werden, entweder über Benutzeranwendungen (mobile oder Web) oder durch Steuerungsanwendungen (automatische Kontrolle). In der automatisierten Produktion werden beide Optionen benötigt. Durch das Eindringen in ein IoT-System oder Fehler in den Algorithmen von Steuerungsanwendungen kann die automatische Ausführung von geforderten Operationen scheitern (oder die gestellten Aufgaben werden überhaupt falsch ausgeführt). Die manuelle Kontrolle kann die Situation retten (ebenso wie die Ausrüstung, Produkte und Ruf des Benutzers).

Automatische Kontrolle. Wenn Sensoren die Daten generieren, die eine sofortige Reaktion erfordern (zu hohe Temperatur, zu niedriger Druck, zu hohe Konzentration einer bestimmten Komponente in Rohstoffen), senden die Steuerungsanwendungen Befehle an die Aktoren, um so schnell wie möglich Abhilfemaßnahmen zu ergreifen (z. B. Temperatur zu reduzieren, Druck zu erhöhen). Eine solche Strategie hilft Zeit und Geld für jeden Teilnehmer (einen Anbieter, einen Kunden und in einigen Fällen eine Drittanbieter-Serviceorganisation) zu sparen, der mit einem intelligenten, vernetzten Produkt zu tun hat.

Manuelle Kontrolle. Da die Steuerung über ein intelligentes, vernetztes Produkt zwischen einem Anbieter und einem Kunden (und in einigen Fällen einer Drittanbieter-Serviceorganisation) aufgeteilt ist, hat jeder Teilnehmer eine andere Zugriffsebene auf Funktionen eines intelligenten, vernetzten Produkts. Es ist sinnvoll, eigene Apps für jeden Teilnehmer zu erstellen.

Ein Anbieter wird beispielsweise von den Benutzeranwendungen profitieren, die die Karten von Geräten und Sensoren enthalten. Diese Karten ermöglichen die Überwachung von tausenden vernetzten Geräten, die in verschiedenen Fabriken und sogar Städten und Ländern verstreut sind. Ein Kunde hingegen braucht die Apps, um nur an seinem Standort installierte intelligente, vernetzte Produkte zu überwachen.

Die Tatsache, dass intelligente, vernetzte Produktionsausrüstung mit Apps ferngesteuert werden kann, ruft gewisse Bedenken darüber hervor, dass Drittnutzer in die Verwaltung von vernetzten Geräten eingreifen können, was zu ungünstigen Ergebnissen führen kann. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, zu kontrollieren, welche Dinge mit dem Netzwerk verbunden sind und wer diese Dinge verwalten kann.

Wenn verschiedene Benutzer dieselben intelligenten, vernetzten Dinge steuern, ist es sinnvoll, die Rollenverteilung zu berücksichtigen und Zugriffsebenen von Benutzern zu konfigurieren. Wenn widersprüchliche Befehle von verschiedenen Benutzern kommen, werden die Befehle von einem Benutzer mit einer höheren Zugriffsebene Priorität haben.

Postprocessing-Anwendungen

Neben den Anwendungen, die permanent funktionieren, gibt es auch Apps, die periodisch laufen, zum Beispiel einmal pro Tag oder Monat, und die Daten im sogenannten Batch-Modus verarbeiten. Ein sehr typisches Beispiel sind die Apps für eine verbrauchsabhängige Abrechnung, die Rechnungen für Kunden monatlich vorbereiten und dabei die Daten über die Nutzung von Produkten und Services berücksichtigen.

Data Analytics

Daten von Sensoren, die alle Stufen der Filterung überstanden haben, können verwendet werden, um Nutzungsmuster aufzudecken, anstehende Ausfälle zu erkennen und Leistungsstatistiken in informativer und verständlicher Form zu zeigen (Schemata, Diagrammen, Tabellen).

Maschinelles Lernen

Mit maschinellem Lernen bietet ein IoT-System Modelle, die die Funktionsweise der Steuerungsanwendungen verbessern können. Die Modelle für die Steuerungsanwendungen werden regelmäßig aktualisiert (z. B. einmal pro Woche oder einmal pro Monat - abhängig von einem bestimmten Fall), basierend auf den in einem Big Data Warehouse gespeicherten historischen Daten. Aber bevor neue Modelle für die Steuerung eines intelligenten, vernetzten Produkts in Betrieb gesetzt werden, sollten sie von Datenanalysten getestet und genehmigt (ggf. angepasst) werden.

Verteilung von Funktionen zwischen eingebetteter und cloudbasierter Software

Eine weitere wichtige Frage in Bezug auf die Architektur ist, auszuwählen, welche Funktionen in ein intelligentes, vernetztes Produkt eingebettet werden (Embedded Software), welche Komponenten cloudbasiert sind und was gleichzeitig in das Gerät und die Cloud integriert werden sollte. Mehrere Faktoren beeinflussen diese Wahl.

Reaktionszeit. Wenn schnelle Reaktionen eine entscheidende Sicherheitsanforderung und ein kritischer Punkt für den Produktionsprozess darstellen (z. B. Notabschaltungen in einer intelligenten Fabrik), sollte die Software in das physische Produkt eingebettet sein.

Zuverlässigkeit und Sicherheit des Netzwerks. In Notfällen kann die Konnektivität nicht mehr verfügbar oder eingeschränkt sein, und die Benutzer können dadurch die Kontrolle über ein intelligentes, vernetztes Produkt verlieren. Wenn sich die Funktionsstörung als zu gefährlich erweist (zum Beispiel in einer intelligenten Chemiefabrik), ist es besser, Software in ein vernetztes Ding einzubetten. Dieser Ansatz wirkt sich auch positiv auf Sicherheitsbedenken aus, weil weniger sensible Daten in die und von den Cloud-Anwendungen übertragen werden.

Kosten. Je mehr Funktionen ein vernetztes Produkt enthält, desto höher sind die Kosten für ein solches Produkt. Um die Kosten einer IoT-Lösung zu reduzieren, können einige Funktionen in die Cloud verschoben werden.

Zum Abschluss

Intelligente, vernetzte Produkte haben das Potenzial, die täglichen Tätigkeiten eines Unternehmens auf ein ganz neues Niveau zu heben. Zum Beispiel können sie im industriellen Sektor zu jeder Phase von Produktionsprozessen beitragen. Um den Erfolg solcher IoT-Initiativen zu gewährleisten, sollte ein IoT-System jedoch auf einer zuverlässigen Architektur aufgebaut werden. Eine solche Architektur sollte reibungslose und effektive datenbezogene Prozesse bereitstellen, den Sicherheitsanforderungen entsprechen und bei Bedarf Änderungen und Hinzufügen von Funktionen ermöglichen. Neben der internen Architektur sollte ein intelligentes, vernetztes Produkt in die Prozesssteuerung auf SCADA- und / oder MES-Ebene integriert werden.

Obwohl intelligente, vernetzte Produkte für das Geschäft eines Kunden vorgesehen sind, hat ein Anbieter (und in einigen Fällen auch eine Drittanbieter-Serviceorganisation) auch einen bestimmten Zugriff auf die Überwachung und Steuerung dieser vernetzten Produkte (Die Zugriffsebene für jeden Teilnehmer sollte in einer Service-Level-Vereinbarung vordefiniert sein).

Mit dem Ziel, das IoT-Potenzial voll auszuschöpfen, ist es möglich, mit einer einfachen IoT-Lösung zu beginnen und, wenn das Herzstück gut funktioniert, diese Lösung durch Hinzufügen neuer Module und Erweiterung von den bestehenden auf höhere Stufen zu bringen.